· 

Kompetent führen im Krankenhaus

Ärztinnen und Ärzte haben Führungskompetenz. Oder? Die schlechte Nachricht: nicht unbedingt. Die gute Nachricht: Führungskompetenzen lassen sich erwerben, erlernen, vertiefen und immer weiter verbessern.

 

In Zeiten des Ärztemangels sind sich Krankenhausleitungen sehr wohl über die Bedeutung einer guten Personalpflege im Klaren: nur geforderte, geförderte und zufriedene Mitarbeiter sind gute Mitarbeiter. Nur in einem guten Arbeitsklima ist der Umgang mit Patienten nachhaltig empathisch. Nur mit zufriedenen Patienten, Zuweisern und Partnern aus Rehabilitation, Versicherungen und anderen Institutionen des Gesundheitswesens bekommen Sie "das Haus voll".

Dazu brauchen Krankenhäuser Ärztinnen und Ärzte mit Führungskompetenz.

 

Die drei Verantwortungen

Führungskraft werden Sie sehr rasch. Auch wenn Sie nicht gleich Stationsärztin oder -Arzt sind, und es eine Stationsleitung für die Pflege gibt, sind Sie als Ärztin und als Arzt verantwortlich für Ihre Patienten und somit auch anderen gegenüber weisungsbefugt. Auch tragen Sie schon wenige Monate nach Abschluss des Studiums die erste Personalverantwortung (mit), beispielsweise, weil Ihnen Praktikanten, Famulanten oder Studierende im Praktischen Jahr anvertraut werden.

 

Als Führungskraft haben Sie Aufgaben in drei Verantwortungsbereichen. Sie sind verantwortlich für die Produkte und Dienstleistungen Ihres Bereiches, Sie tragen Verantwortung für Ihr Haus insgesamt, und Sie sind verantwortlich für das Ihnen anvertraute Personal.

 

Qualität von Prozessen und Ergebnissen

Die Versorgung der Patienten ist die Kernleistung eines Krankenhauses und beinhaltet - betriebswirtschaftlich ausgedrückt - seine Kernprozesse. Kernprozesse sind Wert schöpfend. Zu ihnen zählen Diagnostik, Therapie und Pflege. Als Ärztin, als Arzt und als Führungskraft müssen Sie Ihren Bereich an den medizinischen, therapeutischen und pflegerischen Ergebnissen messen lassen. Die pflegerischen Ergebnisse schließe ich mit ein, weil wir als Ärzte letztlich die Verantwortung für die Versorgung des Patienten insgesamt tragen. Eine Teilung des Patienten funktioniert nicht, weder im wahrsten Sinne des Wortes noch auf dem Papier. Interdisziplinäre Zusammenarbeit von Medizin, Pflege, Therapeuten und Administration auf Augenhöhe ermöglicht eine nachhaltig hohe Versorgungsqualität.

 

Budget

Mit der Einführung der Fallpauschalen in den 1980er Jahren begann es, und mit der Einführung der pauschalierten Vergütung mittels der Diagnosis Related Groups  2003 / 2004 breitete es sich auf nahezu alle Bereiche der stationären Akutversorgung von Patienten aus: Das wirtschaftliche Denken hielt auch Einzug in den Stationsarztzimmern. Chef- und Oberärzte waren vielleicht schon durch ihre Sprechstunden und sicher durch hausinterne Budgetverhandlungen beispielsweise zur Anschaffung von Geräten mit Budgetverantwortungen vertraut. Mit den Pauschalen stellte sich für alle Beteiligten zunehmend die Frage: Arbeiten wir effektiv und effizient?

 

Ich möchte an dieser Stelle nicht auf die Stolpersteine und oftmals unglücklich gelösten Dokumentations- und Abrechnungsvorgänge in Krankenhäusern eingehen. Das ist ein wichtiges, aber eigenes Thema. Nur soviel: Überlegen Sie als Führungskraft stets, ob es sich lohnt, die teuersten Mitarbeiter Ihres Hauses, die die Kernprozesse Ihres Hauses erbringen, mit Dokumentationsaufgaben zu belasten, die in anderer Form organisiert auch von anderen Fachkräften erledigt werden können. Stichwort: Kodierassistenten.

 

Das Haus

Außerdem sollten Führungskräfte stets daran mitwirken, ihr Unternehmen zu stärken. Im Krankenhaus kann dies zum Beispiel den Auf- und Ausbau eines Spezialgebietes oder spezieller Verfahren betreffen oder die Kooperation mit anderen Akteuren in der Versorgungskette oder das Engagement in Forschung und Lehre, auch wenn das eigene Haus keine Universitätsklinik ist.

 

Personal: Als Führungskraft müssen Sie in der Lage sein, Menschen die Möglichkeit zu geben, etwas Besonderes zu leisten. Als Führungskraft lassen Sie andere arbeiten. Es geht darum, zuzulassen, dass andere arbeiten. Das Team, die Abteilung, die Menschen im Unternehmen müssen (eigen-)verantwortlich, kreativ, produktiv, effizient und mit Freude arbeiten können.

 

Führungskräfte sind auch Berater

Sie beraten Ihre Mitarbeiter, Ihre Kolleginnen und Kollegen und Vorgesetzte. Consultants und Berater arbeiten mit Führungskräften. In meinem Buch finden Sie darum viel zum Thema Führungskräfte, ihre Kompetenzen und ihre Aufgaben.

 

Was Sie mitbringen sollten

"Dass unsere (angehenden) Führungskräfte in ihrem Fach fit sind, davon gehen wir aus. Wir müssen sie in der Entwicklung ihrer Führungskompetenzen unterstützen" Worte einer Personalchefin eines großen IT-Unternehmens. Diese Strategie findet in Zeiten des Fachkräftemangels auch in Krankenhäusern zunehmen Verbreitung.

 

Was steckt hinter dieser Äußerung? Als Ärztin und als Arzt und auch als Führungskraft brauchen Sie fachliche, methodische und soziale Kompetenzen. Sie müssen in Ihrem Fach über eine solide Wissensbasis verfügen und kontinuierlich ausbauen. Sie brauchen Methodenkompetenz, wie Gesprächsführung, Moderation, Zeitmanagement, Projektmanagement, Controlling und - vor allem - lebenslanges Lernen. Und Sie müssen mit sich selbst und anderen klar kommen. Ihre soziale Kompetenz entscheidet letztlich über Ihr Wohl und Wehe im Beruf. Zu sozialen Kompetenzen zählen Authentizität, Offenheit, Empathie, Loyalität, Flexibilität, Belastbarkeit, Ausdauer, Reflexionsfähigkeit und Kritikfähigkeit.

 

Üben und die Bedeutung der Reflexion

In der Medizin wie in vielen anderen Bereichen auch arbeiten Sie in multidisziplinären Teams. Vom ersten Semester Ihres Studiums an ist Ihre Teamfähigkeit gefragt, und sie ist ein Muss auf dem Weg zu einer guten Führungskraft.

Teamfähigkeit entwickelt sich aus sozialen und methodischen Kompetenzen und ist gleichzeitig ein wichtiges Element für das Erlernen und Vertiefen von Kompetenzen. Kernmerkmale hoher Teamfähigkeit sind, reflektieren und konstruktiv positive und negative Kritik üben und annehmen zu können. Dies können Sie wie alle anderen Kompetenzen üben. Im Buch (*) gibt es dazu einige Methoden und Beispiele.

 

Worauf Sie achten sollten

Wenn Sie in Ihrem Berufsweg mit Ihren Patienten verantwortungsvoll umgehen möchten und sich der Herausforderung Führungskraft stellen wollen, kann eine Frage dazu hilfreich sein: "Passt dieses Krankenhaus zu mir?" Diese Frage sollten Sie ohne große Einschränkungen mit Ja beantworten können. Dreh- und Angelpunkt ist dabei etwas, was wir in unserem Kulturkreis nicht immer an die große Glocke hängen: Werte, Regeln und ethische Standards eines Unternehmens.

Wenn Sie betriebswirtschaftliche Kenntnisse haben, können Sie es schon. Oder Sie lernen es jetzt: Machen Sie eine Organisationsanalyse, in der Sie danach schauen, welches die Geschäftsbereiche und -Ziele des Krankenhauses sind, wie das Krankenhaus seine Mitarbeiter fordert und fördert, und wie erfolgreich das Krankenhaus ist. Außerdem untersuchen Sie, wofür dieses Unternehmen steht: Was sind seine Werte, Regeln und ethischen Standards? Und dann gehen Sie spazieren und beantworten sich die Frage: Passen wir zusammen? Falls nicht so ganz, können Sie sich auch noch fragen, könnte ich trotzdem dort arbeiten? Wenn ja, warum, wie und wie lange?

 

Im Internet und in meinem Buch (*) finden Sie Hinweise, wie Sie eine solche Unternehmens- und Kulturanalyse durchführen können. Kurz gesagt: Auftritt im Internet, Geschäftsberichte und vielleicht kennen Sie auch jemanden, der Erfahrung in oder mit diesem Krankenhaus hat.

 

Fazit

Manche Menschen haben Führungstalent, manche tun sich eher schwer damit. Wir brauchen Frauen und Männer, die sich dieser komplexen und schönen Aufgabe stellen. Lernen und pflegen lässt sich Führungskompetenz mit Hilfe von Vorbildern, Mentoren, Seminaren, Fachlektüre, Coaches und der täglichen Umsetzung in die Praxis. "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es." (Erich Kästner)

 

Christa Weßel - Mo, 16. September 2013

 

Dieser Text ist außerdem erschienen in:
Weßel C. Kompetent führen im Krankenhaus. arzt & karriere. 2013; Ausgabe 06: 20-21.

 

(*) [02.01.2018: In diesem Eintrag geht es um den mittlerweile vergriffenen Vorläufer der ersten drei Bände der Buchreihe Elche fangen ... Basiswissen für Berater und Führungskräfte, die 2017 im Weidenborn Verlag erschienen sind.]

 

Blogrubriken Organisationsentwicklung und Wandel im Gesundheitswesen

 

Sprachhygiene    heute    Das System Krankenhaus >