Selbstmanagement

Christa Weßel (2016) Schreiben

 

Was ist der Unterschied zwischen einer geschlossenen Akut-Station und einer offenen therapeutischen Station aus der Sicht einer Ärztin in Weiterbildung zur Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie?  


Diese Frage hat mir jemand sehr früh nach meinem Start auf der "Offenen" gestellt. Vier Monate nach dem Start folgt nun meine Antwort. Es ist sehr wohl möglich, dass andere dies anders erleben. 

Auf der einen ist das Re-Agieren häufiger, auf der anderen steht das Selbstmanagement mehr im Vordergrund. Beiden Stationen sind gewisse Eckpunkte im Tages- und Wochenverlauf gemeinsam: Übergaben Pflege-Ärzte-Psychologen-Sozialdienst[*] am Morgen; Übergabe Ärzte-Psychologen-Oberärztin am Morgen; Oberarztvisiten einmal pro Woche, Teambesprechungen einmal pro Woche; täglich der Oberärztin neu aufgenommene Patienten vorstellen und mit ihr auch besprechen: Aufnahme-Diagnose, weiteres Vorgehen, Therapieziel (von manchen auch "Auftrag" genannt).  

Dies ist der erste Schritt in der Fall-begleitenden Supervision, ein Qualitätsmerkmal. Wenn Ärztinnen in Weiterbildung an bestimmten Meilensteinen im Behandlungsverlauf und auch darüber hinaus Feedback und fachliche Unterstützung durch eine Fachärztin haben, die auch die Oberärztin der Station ist, ist dies ein wichtiger Baustein für eine hochwertige ärztliche Versorgung der Patienten. 

Im Verlauf kann, sollte und muss diese Supervision in der Oberarztvisite, in Kurvenvisiten und in gesondert verabredeten Gesprächen erfolgen. Eine Kurvenvisite ist die Besprechung aller Patienten durch die Oberärztin und die Ärzte in Weiterbilung. Gesonderte Gespräche sind beispielsweise bei akuten Veränderungen im Befinden eines Patienten erforderlich. Hier müssen beide handeln. Die Ärztin in Weiterbildung spricht oder schickt der Oberärztin eine Nachricht. Die Oberärztin reagiert so zügig wie es ihr erforderlich und angemessen erscheint. 

Das ist also beiden Stationen gemeinsam. Auf einer Akut-Station kommt stärker als auf einer therapeutischen Station - natürlich - Akutes hinzu.  Die Verweildauer ist deutlich kürzer. Es gibt deutlich mehr akute Aufnahmen. Es geht um rechtliche Dinge, wie eine Unterbringung. Es geht um starke Schwankungen im Befinden der Patienten. Und es geht darum, jeden Patienten einmal am Tag zu visitieren, also ein Gespräch mit ihm zu führen und sich ein Bild vom psychischen und körperlichen Zustand zu machen. Und das möglichst früh im Tagesverlauf. Vieles läuft hier in unmittelbarer, rascher Abstimmung zwischen Pflege und Arztdienst, sowie Psychologen, Sozialdienst, Ergotherapie und anderen Disziplinen. 

Auf einer therapeutischen Station gibt es diese Abstimmung auch. Insgesamt ist der Rhythmus deutlich ruhiger. Besonders hilfreich war für mich die Idee einer ärztlichen Kollegin, als ich auf die therapeutische Station kam: mach eine Visite und eine Sprechstunde in der Woche. In der Visite müssen alle Patienten kommen, die du als Ärztin betreust. In der Sprechstunde können diejenigen kommen, die eine Frage an dich haben. Ich habe mich für die Visite am Montag und die Sprechstunde am Freitag entschieden. Mittwochs findet die Oberarztvisite statt. Und natürlich - das sagte die Kollegin auch - sagen Pflege, Psychologen, Sozialdienst und vor allem auch die Patienten in den täglichen Begegnungen auf der Station, wenn ein aktuelles Anliegen entsteht. Ein zweiter Tipp lautete: mach nur ein therapeutisches Einzelgespräch pro Tag. Die Weiterbildung zur Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie enthält eben auch das: Psychotherapie. Wir Ärzte arbeiten auch als Therapeuten. Natürlich ist auch hier eine Supervision die Aufgabe einer Fachärztin in ähnlicher Form wie weiter oben geschildert. Also ist ein wichtiger Punkt in der Arbeit auf solch einer Station das Selbstmanagement: wann mache ich in diesem zeitlichen Gerüst was? 

Und was magst du lieber?, lautete dann vor einigen Wochen eine weitere Frage. Nun, ich bin als Ärztin "akut" sozialisiert, vor allem in chirurgischen Fächern. Andererseits schätze ich auch sehr meine Arbeit als Beraterin und Coach. So kann ich also in meiner Weiterbildung beides erleben. Hohes Tempo, langsameres Tempo. Mir gefällt beides. Mit einer leichten Neigung mehr zum Akuten. Mal sehen, wie sich dies im weiteren Verlauf der Weiterbildung entwickelt. 

Christa Weßel - Sonntag, 03 August 2025 

 

[*] wieder sind unabhängig von der verwendeten Form alle Geschlechter gemeint: w,m,d. 


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