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Geben und nehmen

Die Idee des Buen Vivir

Reisschale

Gibt es lebensfähige Alternativen zur Marktwirtschaft und ökonomischem Gewinnstreben. Sind Definitionen von Unternehmen wie die von Johannes Rüegg-Sturm Utopie?

"Eine Unternehmung ist niemals Selbstzweck, sondern sie erbringt ihre Geschäftstätigkeit, die einen gesellschaftlichen Nutzen stiften muss, in aktiver Interaktion mit verschiedenen Anspruchsgruppen. ... Grundsätzlich ist in Verhältnis zu allen Anspruchsgruppen ein faires Geben und Nehmen anzustreben." [Rüegg-Sturm 2004, S. 74]

Wird die ecuadorianische Verfassung mit dem Geist des buen vivir Wirklichkeit werden?

Fragen, die wieder einmal auftauchen. Diesmal ist eine Sendung der Reihe "Lebenszeichen" des WDR der Anlass. Karl-Ludolf Hübener berichtete am Sonntag im Radio über "Gut leben statt besser leben: Die  Natur in der Weisheit südamerikanischer Völker". Und wie es dann so geht, lese ich nach dem Manuskript heute auch über Alberto Acosta Espinoza, der maßgeblich an der ecuadorianischen Verfassungsgebung 2007 beteiligt war und Wirtschaftswissenschaften in Deutschland studiert hat. Natürlich stellt sich die Frage: Wie geht es Ecuador heute? Noch nicht gut.

Ich nehme an, auf jeden Fall besser, als es ohne diese Verfassung der Fall wäre. Die Verfassung hat die Natur nicht mehr als auszubeutendes Objekt sondern als Subjekt mit aufgenommen. Die Menschen haben Grundrechte. Sie beinhalten

"... das gleiche Recht auf ein würdevolles Leben, das Gesundheit, Nahrung, Trinkwasser, Unterkunft, eine gesunde Umwelt, Bildung, Arbeit, Erholung und Freizeit, Sport, Kleidung, soziale Sicherheit und andere notwendige soziale Dienstleistungen beinhaltet." [Acosta 2009, S. 219]

Acosta beschreibt im zitierten Artikel sehr gut auch die Zweifel von Politikern unterschiedlichster Richtungen im verfassungsgebenden Prozess. Und Acosta betont, dass das immer wieder Aushandeln in der Verwirklichung dieser - wie er es selbst nennt - "Utopie" ein sehr langer Prozess ist.

Buen vivir heißt nicht angenehmes oder sorgenfreies Leben oder viele materielle Güter. Buen vivir bedeutet eine Balance der Menschen untereinander und auch der Menschen und der Natur.

In Hübeners Feature berichtet Leonel Cerruto, ein Quechua-Indianer aus Cochabamba in Bolivien, wie sie das Gleichgewicht, gleichbedeutend mit Harmonie, immer wieder aushandeln:

"In der indianischen Welt wird ständig gestritten. Um zu zeigen, was du denkst und was du zu tun gedenkst, bist du gezwungen, deine Meinung klar und deutlich vorzubringen. Aber nicht immer geschieht das auf friedlichem Wege. Deshalb gibt es bei uns eine Zeremonie, in der es auch gewalttätig zugeht. Da werden dann überschüssige Energien abreagiert. Es gibt keine falsche Harmonie, wie es uns andere, die von Harmonie reden, vormachen wollen, dass eben alles paradiesisch und idyllisch sei. Das Leben ist sehr komplex. Täglich gibt es Probleme." [Hübener 2016, S. 8]

Dieses give and take, Geben und Nehmen, und Rituale, in denen wir Konfliktenergie vom Zerstörerischen in konstruktive und produktive Energie umwandeln, wünsche ich mir auch für Organisationen und Menschen, die erst einmal nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und Angst haben, dass ihnen irgendjemand etwas wegnimmt.

Dass es funktioniert, zeigen uns zum Beispiel die Quechua in Südamerika.

Christa Weßel - Mittwoch, 16. März 2016

Die hier zitierten Quellen:


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