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Die kleinen & die großen

Wie Unternehmen Einkäufe tätigen

Im Weidenborn Verlag nutzen wir unsere Erfahrungen mit den Verkäufen für eine Feldstudie: "Verkaufswege ... Wenn Elche reisen". Kauf und Verkauf nutzen in vielen Schritten Internet und Web. Also liegt es nahe, in der Sozioinformatik zu untersuchen, wie Menschen und Organisationen sich in diesem Kontext verhalten.

Das Setting

Unsere leitende Frage lautete ursprünglich: "Was passiert neben dem Mainstream?" (Blogger-Kollege Rudi Moos am 17.01.2018)


Entstanden war die Frage, weil der Verlag sich nicht den Zwängen und hohen Forderungen von Zwischenhändlern wie Online-Händlern und Barsortimenten unterwerfen wollte (Blogger-Kollege Rudi Moos am 13.10.2017). Barsortimente sind Buchgroßhändler, die von Verlagen kaufen und an Buchhändler verkaufen. Sie zahlen - wie die Online-Händler - ungefähr fünfzig Prozent des Buchpreises und dies auch erst, wenn die Bücher verkauft sind. Die Pflicht, stets genügend Bücher im Lager der Händler vorzuhalten, bleibt beim Verlag.


Dann haben wir die Frage erweitert auf "Welche Verkaufswege nehmen die Bücher?"
und weitere Fragen formuliert.

  • Wie groß ist der Anteil der Käufe durch persönliche Kontakte aus dem Verlag heraus und von der Autorin?
  • Wie bestellen Privatpersonen, Buchhandlungen, Hochschulen, Universitäten und Unternehmen?
  • Welche Zahlungsbedingungen akzeptieren sie?
  • Wie gehen sie mit Vorkasse um?

Als Bestellwege bietet der Verlag an:

  • Online-Shop
  • E-Mail
  • persönliches Gespräch
  • Telefonat
  • Brief

Wir werden in unserer Untersuchung auch der Frage nachgehen, wie Menschen, Hochschulen, Universitäten, Buchhandlungen, Zwischenhändler und Unternehmen von den Büchern des Verlages erfahren und ob und wenn ja, warum sie sich zu einer Bestellung entschließen. Dazu gehören dann auch die Fragen, welchen Bestellweg sie wählen und warum sie diesen wählen.


Eine interessante Begegnung hatten wir in dieser Feldstudie gestern.

 

Die großen

Eine Filiale einer großen Buchhandlungskette mit Filialen in ganz Deutschland hatte über ein Barsortiment ein Buch geordert. Dies war schon zuvor passiert. Nachdem wir der Buchhandlung die Rechnung gesendet hatten, überwies diese den Betrag und wir lieferten.


Dieses Mal war es jedoch anders. Dazu an dieser Stelle die nicht ganz wörtliche Wiedergabe des Telefonats mit einem Einkäufer dieser großen Buchhandelskette. Die Feldnotizen habe ich nach dem Gespräch angefertigt (mehr zu Feldnotizen im Band Entdecken der Buchreihe Elche fangen ...).


"Guten Tag, [Vorstellung], ich melde mich bei Ihnen, da Ihre Bestellung via [Name des Barsortiments] vergangene Woche per Post bei uns eingegangen ist, und wir bisher noch nichts von Ihnen gehört haben. Mögen Sie mir erzählen, wie bei Ihnen Bestellungen erfolgen?"


"Wir lösen den Bestellvorgang hier in unserer Filiale in unserem IT-System aus. Das geht dann automatisch an das Barsortiment. Die melden sich dann beim Verlag."


"Hm. Unser Verlag arbeitet nicht mit einem der Barsortimente. Wir haben zwar schon des öfteren Anfragen von Barsortimenten für Buchhandlungen erhalten. Bislang haben diese die Bestellung der Buchhandlung an uns weitergeleitet und uns gebeten, alles weitere mit der Buchhandlung direkt zu bearbeiten. Wie sieht das bei Ihnen aus? Haben Sie unsere Nachricht mit der Rechnung erhalten?"


"Ja, haben wir."


"Und?"


"Wir sind es nicht gewohnt, zuerst die Rechnung zu bezahlen. Vorkasse machen höchstens ein Promille aus."


"Und wie gehen Sie dann vor?"


"Wir haben eine Schnittstelle zum Barsortiment im System, und wenn wir die nicht haben, müssen wir es von Hand eingeben. Vorkassen gehen an die Zentrale in [Name der Stadt, in der der Hauptsitz ist]. Die geben das dann von Hand in das System ein und zahlen tun sie eh nur dienstags. Das kann also noch eine oder zwei Wochen dauern."


"Können Sie das Ganze beschleunigen, indem Sie in der Filiale direkt bei Verlag bestellen?"


"Ja, das kann ich, aber dann muss ich es trotzdem später wieder ins System eingeben."


"Also würde es nur einfach dem Leser, dem Kunden nutzen, wenn Sie direkt bestellen. Er könnte innerhalb weniger Tage das Buch bei Ihnen in der Filiale abholen. Sie haben so oder so die gleiche Arbeit?"


"Ja, das ist richtig." (unangenehm berührt)


"Und, wie geht es jetzt weiter?"


"Ja, wie, nehmen Sie keine Vorkasse!"


"Ich meine diesen Vorgang, Sie haben doch den Prozess ausgelöst. Der ist doch nicht mehr rückgängig machbar - oder?"


"Nein."


"Na, dann warten wir also auf die Zahlung aus [Name der Stadt, in der der Hauptsitz ist]."

 

Eigenverantwortung und Kreativität

Etwas ähnliches hatte ich auch in einem großen IT-Unternehmen beobachtet. Derjenige, der die Bestellung im Einkauf ausgelöst hat, kannte den Verlag. Unternehmen und Verlag befinden sich in derselben Stadt. Trotzdem sah sich der Einkauf nicht in der Lage, direkt beim Verlag zu bestellen. Die Mitarbeiterin hat die Bestellung über die feste Schnittstelle zu ihrem Buchhändler eingeben. "Das geht nur so. Die Unternehmen, von denen wir kaufen, müssen eine feste Schnittstelle zu uns haben. Vom Clopapier bis zum Buch. Sonst geht es nicht." - "Es geht nicht? Manuell mit einem neuen Geschäftspartner geht nicht?" - "Nein."


Wie gesagt: IT-Unternehmen.


Dem Einkäufer der Buchhandelskette habe ich für seine ausführliche Schilderung gedankt und ihn gefragt, ob er wissen wolle, warum ich nachfrage. Er wollte.


Also habe ich ihm erläutert, dass ich in der Sozioinformatik forsche und unter anderem untersuche, ob und wenn ja, wie Menschen und Organisationen sich (IT)-Systemen ausliefern und ob sie dabei Eigenverantwortung abgeben und Kreativität verlieren. Und dass ich verstehen möchte, warum es so oder so ist. (Dies ist eines der Ziele qualitativer Feldforschung: Verstehen und Neues erkennen. Mehr dazu im Band Entdecken der Buchreihe Elche fangen ...).


Eine Vermutung, der ich nachgehe, ist, dass Eigenverantwortung und Kreativität umso eher in Gefahr geraten zu scheinen, wenn es sich um große Organisationen handelt. Bislang sieht es so aus, dass die einzelne Buchhandlung oder kleinere Ketten und Unternehmen klarkommen und einen flexiblen und zügigen Austausch pflegen. Große Unternehmen scheinen eher starre Abläufe zu haben.


Was machen die Menschen mit der Technik?
Was macht die Technik mit den Menschen?


Ich freue mich darauf, dies weiter in der Welt des Verlagswesens und Buchhandels zu untersuchen.


Christa Weßel - Freitag, 2. Februar 2018

 

Fachbuchreihe

Weßel C. ELCHE FANGEN ... Basiswissen Consulting für Berater und Führungskräfte.

Band 1 bis 4. Frankfurt am Main, Weidenborn Verlag 2017.

  1. BERATEN – Philosophien, Konzepte und das Projekt
  2. MENSCHEN – Lassen Sie uns zum Äußersten greifen ... reden wir miteinander
  3. WERKZEUGE – Von 8+1 W bis Smarte Ziele
  4. ENTDECKEN – Beobachtungen, Interviews und Fragebögen kompakt und kompetent angewendet