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Elche nach Kiel tragen

Mit Projektmanagern Geschichten entwickeln und Wertschätzende Erkundung erproben

Die Khruzenshtern auf der Kieler Förde

So dunkel, wie es hier scheint, war es nicht in Kiel, sondern es wurde nach einigen Tagen mit Schnee und Kälte zum ersten Mal wieder sonnig - auch im Vortrag.

Doch zunächst fiel mein Blick als erstes auf die Kruzenshtern, eine Viermastbark der Flying-P-Liner-Gruppe, die letzte der acht Schiffe, die noch auf See unterwegs ist. Aus dem Hauptbahnhof raus, Blick nach Osten auf die Förde und da lag sie. Zum ersten Mal habe ich sie 2009 auf dem Tall Ship Festival in Delfzijl gesehen und besucht, als wir via Borkum von Helgoland zurück kamen und wegen Starkwind die Stande Mast Route von der Ems ins Ijsselmeer nahmen. Vielleicht kennen Sie den Film "Der Untergang der Pamir" oder haben die "Passat" in Travemünde schon einmal besucht. Die Kruzenshtern ist ein Ausbildungsschiff der russischen Fischereiflotte. Sie ist weltweit unterwegs und besucht regelmäßig auch deutsche Häfen. -  Sie können auch mitfahren. Gehen Sie einfach mal auf http://bgarf.ru/en/kruzenshtern/ und den deutschen und englischen Wikipediaseiten spazieren.

 

4 Elche ... Macht, Karriere, Beziehungen, Fehler

Zurück zu Kiel und dem eigentlichen Grund meines Besuchs im Norden. Elche nach Kiel zu tragen ist ungefähr so wie Eulen nach Athen zu tragen, denn die Menschen, die am Donnerstag im Rahmen der regelmäßigen Treffen der GPM Regionalgruppe Kiel zusammenfanden, wussten bereits eine Menge über "Macht, Karriere, Beziehungen, Fehler und andere Ressourcen in unserer Arbeitswelt". Sie sind Führungskräfte in Unternehmen aus IT, Bauwesen, Maschinenbau, Gesundheitswesen und anderen Bereichen. Sie sind interne oder externe Berater und Projektmanager. Kurz, eine sehr interessante und anregende Zusammensetzung.

 

Wie so oft gab es auch an diesem Abend für beide Seiten, Zuhörende und Vortragende, neue Perspektiven und Ideen. Folgendes haben wir gemacht:

 

Tägliches Brot im Projektmanagement ist es - oft schon bevor der eigentliche Auftrag beginnt -  Elche zu fangen. Keine "echten", sondern Elche im übertragenen Sinn.

Die Elche, von denen hier die Rede ist, stehen als Metapher für Macht, Karriere, Beziehungen und Fehler. Aufgabe von Projektmanagern ist es, sie sichtbar und besprechbar zu machen. Dafür zu sorgen, dass Menschen in Projekten mit ihnen umgehen können.

Denn Elche haben sehr viel Kraft. Negative und auch positive, denn Macht ist erforderlich, um Entscheidungen umzusetzen. Karriere heißt der Weg, also auch der Berufsweg. Beziehungen gilt es, im besten Sinne des Wortes zu pflegen. Aus Fehlern können Menschen lernen.

Einen Zugang zum Umgang mit solchen Elchen bietet Appreciative Inquiry, die Wertschätzende Erkundung. Eine zentrale Methode der Wertschätzenden Erkundung ist das Interview. Dies folgt einigen Regeln, die anhand eines Interviewleitfadens leicht zu erlernen und umzusetzen sind.

Nach dem Vortrag können die Zuhörer diese Methode unmittelbar zu zweit ausprobieren. Sie interviewen sich gegenseitig. Dies dauert ungefähr zweimal fünfzehn Minuten. Im Forum tragen die Teilnehmer ihre Erkenntnisse zusammen und tauschen sich dazu aus.

 

Wertschätzende Erkundung ausprobieren ... Das Interview

Als Material verwendeten die Experten den Interviewleitfaden, der im Blogeintrag von 19.02.2016 enthalten ist. Die meisten fanden sich in Zweiergesprächen zusammen. Andere plauderten einfach so miteinander und mit mir.

 

Dabei tauchte auch die Frage auf: "Und wie machen Sie solche wertschätzenden Interviews mit 'harten Kerlen' in Fabriken, zum Beispiel im Maschinenbau?"

 

In ihrer Sprache. Mit "weichen" Dingen wie "nun hören wir einander mal zu und sind dabei total wertschätzend" brauchen wir nicht nur Monteuren gar nicht erst zu kommen. Egal, ob ich als Ärztin in der Chirurgie Kindern etwas erklären möchte oder mit Handwerkern am Boot arbeite oder eben in einer Fabrik als Beraterin unterwegs bin: immer geht es darum, sich in der Sprache und Kultur dieser Menschen auszudrücken.

 

In der Wertschätzenden Erkundung startet ein Kernteam, manchmal nur eine Person - wenn ich allein als externe Beraterin reinkomme - mit den Interviews, macht Menschen aus dem Unternehmen fit in diesem Ansatz und diese tragen es im Schneeballsystem weiter ins Unternehmen: Am Ende jedes Interviews steht die Frage "Können Sie" oder  "Kannst Du Dir vorstellen, ebenfalls zwei oder drei Kolleginnen und Kollegen zu interviewen?"

Sie können.

 

Wichtig ist: Interviewen kann mensch nicht einfach, mensch kann es aber lernen. Und zwar sehr schnell. Das haben  wir an der RWTH Aachen in Forschungs- und Entwicklungsprojekten in der Informatik und der Medizin gezeigt. In weiteren Forschungs- und Beratungsprojekten habe ich das fortgesetzt. Einige Geschichten dazu finden Sie in den Elch-Büchern: "Basiswissen Consulting" und "Elche fangen. Beobachtungen, Interviews und Fragebögen im Consulting." Im letzteren finden Sie auch, wie es funktioniert.

 

Doch aus Büchern allein lässt sich nicht so gut lernen, wie in der Praxis. Darum lautete meine Antwort auf die Frage eine Teilnehmers: "Ja, ich kann Sie fit machen, in ein bis zwei Tagen beherrschen Sie die Grundlagen."

 

Elche fangen ... lernen

Mittlerweile führe ich solche Seminare eher inhouse durch. Das heißt, Unternehmen beauftragen mich. Oder mehrere Freiberufler tun sich zusammen und wir organisieren ein Seminar: 
"Die Elche sind los: Beobachtungen und Interviews in der Arbeitswelt und anderswo"

Nun wird es sich zeigen, ob ich irgendwann wieder Elche in den Norden trage. Das Ziel dieses Vortrages habe ich erreicht: Menschen anzuregen, mit Offenheit, Empathie und Neugier in ihre Projekte und Vorhaben zu gehen, mit Geschichten und Bildern zu arbeiten und auf die Stärken und Ressourcen der Unternehmen und der Menschen in ihnen zu schauen.

Wie sagten die Zuhörenden, die sich auf das Experiment der Interviews einließen, in der Synopsis am Schluss: Es wurde Energie frei. - Ich wusste gar nicht mehr, wie viel Gutes mir gelungen ist. - Es ist sehr gut, auf die Möglichkeiten zu schauen, die wir haben. - Wir beide haben schon Ideen für die nächsten Schritte entwickelt.

Wenn Sie nicht gleich ein Seminar machen wollen: Sie können mich auch für einen solchen zweistündigen Vortrag engagieren.

Christa Weßel - Montag, 2. Mai 2016


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