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Referenz: gewusst wie, wann und wozu

 

Da haben Sie ein halbes Jahr oder länger mit einer Beraterin, einem Coach, einem Anwalt, einer Dozentin oder ... zusammengearbeitet. Sie haben gemeinsam an Meilensteinen und vor allem zum Abschluss der Zusammenarbeit über Inhalte, Methoden und das Erreichen von Ergebnissen und Zielen reflektiert. Die letzte Rechnung ist beglichen. Aber es fehlt noch etwas. 

 

Eine Beurteilung und - wenn Sie zufrieden waren - ein Empfehlungsschreiben. 

 

_ referre - unregelmäßigges Verb, lateinisch: beurteilen.

_ Referenz: kurz für Empfehlungsschreiben, Beurteilungsschreiben.

 

Haben Sie schon mal eine Beurteilung über einen anderen Menschen verfasst? Die meisten von Ihnen wahrscheinlich schon. Als Vorgesetzte, Lehrende, Ausbildende, ... Falls Sie es noch nicht gemacht haben, soll das Folgende Sie darin unterstützen, eine Referenz zu schreiben. Fangen wir an mit einem 

 

Beispiel

Ich datiere diese bislang noch nicht geschriebene, jedoch seit mehr als fünfundzwanzig Jahren so empfundene Referenz auf 

 

Frankfurt am Main - 24. Oktober 2012

 

_Referenz für Dr. Wolfgang Schultz-Zehden_

 

Anfang der 1990er Jahre habe ich einige Jahre während meiner Arbeit als Assistenz- und Stationsärztin in der Kinderchirurgie an einer Balint-Gruppe teilgenommen. Diese Form der Supervision ermöglicht, fachlich auf hohem Niveau und mit Empathie mit Klienten, Patienten und Lernenden zu arbeiten.

 

Möglich wurde dies durch Frauen und Männer, die wie ich in der Universitätsklinik Rudolf Virchow (RVK), Berlin, tätig waren, und zwar Ärzte, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Theologen und Psychologen. Vor allem wurde dies möglich durch den in der Balint-Arbeit und der psychosomatischen Medizin ausgebildeten und erfahrenem Augenarzt, Dr. Wolfgang Schultz-Zehden. Ein Aushang im Aufenthaltsraum der Ersten Hilfe hatte mich auf die Gruppe aufmerksam gemacht. 

 

Wir trafen uns im RVK alle vierzehn Tage für zwei Stunden. Pro Treffen bearbeitete die Gruppe in der Regel einen Fall, den eines der Mitglieder vorstellte. Dr. Schultz-Zehden hat mit hoher Empathie und Sachverstand diese Gruppe supervidiert. Von ihm habe ich in diesen Treffen und in einem Intensiv-Workshop am Plauer See viel gelernt. Gelernt, mit Sachverstand und Empathie zuzuhören, hinzuschauen, nachzufragen und die oder den anderen anzunehmen. Gelernt, wie Menschen in anderen deren Ressourcen wecken können. Gelernt, wie Menschen loslassen können und etwas abschließen sollten. Mit Respekt. 

 

Dr. Schultz-Zehden war damals und bleibt weiterhin, auch nach seinem Tod, für mich Vorbild und Inspiration. Er hat mir lang bevor ich diesen Berufsweg eingeschlagen habe, Mut gemacht Coach zu werden, denn er fragte mich damals nach einigen Jahren, ob ich Balint-Supervisorin werden möchte. Er traue es mir zu und würde sich freuen. Das hat mich sehr berührt. Auch wenn ich nicht Balint-Supervisorin geworden bin, bin ich Beraterin und Coach geworden. 

 

Wenn Dr. Schultz-Zehden noch leben würde, lautete meine Empfehlung: Wenn Sie es irgendwie ermöglichen können, werden Sie Mitglied in einer seiner Balint-Gruppen. 

 

Dr. Christa Weßel MPH 

Ärztin, Gesundheitswissenschaftlerin, 

Autorin, Organisationsentwicklerin, Coach; Ende 40

 

 

Anmerkung: eine Referenz sollte unmittelbar nach Ende der Zusammenarbeit oder einer Zusammenarbeit, die länger währt als ein Jahr, bereits dann, erfolgen. Es ist eine Frage des Respektes: wie lange lassen Sie den anderen warten? Was außerdem beachtenswert ist, betrachte ich im Folgenden am Beispiel einer Referenz für eine Coach.

 

Was ist das? Wie geht es? Wozu ist es gut?

Diese Fragen stammen aus der Didaktik. Sie unterstützen die Konzipierung eines Lernthemas. Coaching ist auch Lernen. Beide lernen, die Coach und der Klient. Zum Lernen gehört die Reflexion, wie sie beispielsweise in Portfolios oder Diskussionen und Ausblicken enthalten sind: in Seminararbeiten ist es ein Soll; in  Abschluss- und Doktorarbeiten ein Muss. Im Coaching ist Reflexion Teil jedes Gesprächs. Außerdem gibt es mehrere Meilensteine der Reflexion, an denen der Fokus auf der Evaluation liegt: zu Beginn, in der Mitte und am Ende der Zusammenarbeit. Es gibt noch eine Reflexion, die insbesondere wertvoll für den Klienten ist ... obwohl es auf den ersten Blick anders erscheint: Das Ausstellen einer Referenz. 

[Und wieder sind unabhängig von der verwendeten Geschlechtsform jeweils alle Menschen gemeint.]

 

Was ist eine Referenz?

Ein Mitarbeiter, Kollege, Vorgesetzter, Geschäftspartner, Studierender, Kunde  ... Klient beschreibt die Arbeit eines Vorgesetzten, Kollegen, Mitarbeiters, Geschäftspartners, Dozenten / Lehrers, Dienstleisters ...  Coach. Sie können auch für Ärzte, Zahnärzte, Therapeuten, Pflege und andere Dienstleistungen im Gesundheitswesen eine Referenz schreiben. Eine Referenz mit Hand und Fuß ist viel mehr als ein Like-Klick oder ein Satz in einem Bewertungskommentar.

 

Wie geht es?

Was sollte eine Referenz enthalten? Ganz einfach: versetzen Sie sich in eine Person, die das gleiche erhalten möchte wie Sie. Einen neuen Mitarbeiter, Geschäftspartner, Dienstleister ..., einen Coach. Beantworten Sie mit Ihrem Text ein paar Fragen. Sie können in den folgenden Fragen das Wort Coach durch eine andere der oben genannten Personen ersetzen:

 

_ Beginn: Wie kam es zum Coaching?

_ Ihr Motiv, Ihr Anlass

_ Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dieser Coach?

    bspw.: Empfehlung, Zusammenarbeit aus anderen Anlässen (Beratung, Seminar, ...) 

 

_ Zielgruppen: Was macht die Coach?

_ Business Coach, Therapeut, Beraterin, andere Tätigkeiten

 

_ Inhalt: Was war das Besondere im Coaching?

_ Rahmen: Setting (Orte, Zeiten, ...), Methoden, Dokumentation, ...

_ Fähigkeiten: Art der Gesprächsführung, Öffnung neuer Perspektiven, Neues lernen, ...

 

_ Nutzen: Welchen Nutzen hatten Sie und werden Sie weiterhin haben?

_ für Ihre Karriere?

_ für Ihre Balance, Beruf und Privat?

  

_ Abschluss: Zufriedenheit

_ Wem, welchen Berufsgruppen empfehlen Sie diese Coach weiter?

_ Wenn es einen neuen Anlass gibt, wollen Sie dann erneut mit dieser Coach zusammenarbeiten?

 

Sieben bis acht Sätze, also ungefähr 1200 Zeichen, inklusive Leerzeichen sind üblich. Versuchen Sie, sich kurz und gleichzeitig umfassend auszudrücken. Wenn Sie es überprüfen: für Dr. Schultz-Zehden habe ich mehr gebraucht. Es ist okay, solange es auf einer DIN-A4 Seite gut aussieht.

 

Denn eine Referenz hat eine gute Form verdient: ein Textdokument mit Datum und Überschrift. Je nachdem, ob Sie eine anonymisierte Referenz oder - besser noch - eine mit Ihrem Namen verfassen, gehört unter eine Referenz genau dieses:

 

_ Titel Vorname Name 

_ Berufsbezeichnung, Tätigkeit, ungefähres Alter

 

Die gute Form ist ein Zeichen des Respektes vor Ihnen selbst, dem Referenz Gebenden; vor dem, von dem die Referenz handelt; und vor denen, die die Referenz lesen. 

 

Qualitätssicherung mit vier Augen

Vier Augen sehen mehr als zwei: bitten Sie einen Menschen Ihres Vertrauens, mit dem Sie in einer Organisation oder als Freiberufler zusammenarbeiten, die Referenz gegenzulesen. Er wird bestimmt Verbesserungsideen haben. 

 

Wenn Sie die Referenz an den Beurteilten senden, schreiben Sie in der begleitenden E-mail, dass Sie gerne Anpassungen vornehmen, falls dieser Ideen dazu hat. Wichtig: einmal sollte genügen. So gut sollte Ihr "erster Wurf" sein. 

 

Wozu ist es gut?

Wie lautet Ihre erste Antwort? 

 

Für denjenigen, um den es in der Referenz geht: Vorgesetzte, Kollegen, Mitarbeiter, Geschäftspartner, Dozenten / Lehrer, Dienstleister ...  Coach. Sicher. 

 

Vor allem hat die Verfasserin, der Verfasser einer Referenz einen Nutzen: Sie reflektieren über die Zusammenarbeit, über Ihren eigenen Anteil und über Ihre Leistungen und Ihren Beitrag. In Referenzen für eine Beraterin, einen Coach, einen Therapeuten, eine Dozentin ist dies besonders gut erkennbar: diese Dienstleister sind dann besonders gut, wenn Ihr eigener Beitrag in der Zusammenarbeit wertvoll ist und Sie Fortschritte machen, Ihr selbst gestecktes Ziel erreichen.

 

Klienten bestätigen mir immer wieder, dass es ihnen besonders deutlich wurde, wenn sie nicht nur über das Coaching gesprochen, sondern über ihr Coaching und ihre Coach geschrieben haben: "Das Schreiben der Referenz hat es mir noch mal klar gemacht und nun habe ich es von mir selbst schriftlich: ich sehe Ihre Leistung und was Sie Besonderes machen und wie wichtig mein Anteil daran ist." 

 

 

Ich wünsche Ihnen viel Freude und gute Erkenntnisse beim Verfassen von Referenzen für Vorgesetzte, Kollegen, Mitarbeiter, Geschäftspartner, Dozenten / Lehrer, Studierende, Dienstleister, auch Ärzte, Zahnärzte, Therapeuten, Pflege, Berater ... und Ihre/n Coach.

 

Christa Weßel - Montag, 29 Mai 2023

[30 Mai 2023: neu: Abschnitt "Qualitätssicherung mit vier Augen"]

 

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