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Respekt, Vertrauen und Wertschätzung

... auch für Studierende

Was passiert eigentlich, wenn Studierende während ihrer Abschlussarbeit länger erkranken?
Für eine Abschlussarbeit, beispielsweise Bachelor oder Master sind meist drei Monate vorgesehen.

Wenn jemand zwei Wochen ausfällt, mag sie oder er es noch ausgleichen können. Danach wird es kritisch. Ein Ausfall geschieht meist auf Grund einer Erkrankung.

Wie lange können Studierende verlängern?
Wann müssen sie von ihrer Arbeit, ihrer Prüfung zurücktreten?

Studierende können aus wichtigen Gründen von Prüfungen zurücktreten. Diese Gründe müssen sie der Hochschule plausibel machen. Im Krankheitsfall erfolgt dies in der Regel über ein ärztliches Attest.

Und hier wird es spannend, denn es ist von Hochschule zu Hochschule und von Universität zu Universität verschieden, wie viel sie über die Erkrankung erfahren wollen.

Als Ärztin meine ich, dass die Hochschule den Schutz der Privatsphäre der Studierenden und der ärztlichen Schweigepflicht respektieren muss. Dass dies funktioniert, zeigen die Universität Ulm [Beispiel 1] und die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg [Beispiel 2].

 

Schweigepflicht?!

Leider ist mir an einer anderen Hochschule etwas anderes begegnet. Diese Hochschule erwartet vom Arzt eine so ausführliche Beschreibung von Symptomen, dass die Hochschulverwaltung (sic!) beurteilen kann, ob eine Prüfungsunfähigkeit gegeben ist.


Unglaublich, aber kein Einzelfall.
Ich habe nachgehakt.
Fatal sind Begründungen wie "das haben wir immer schon so gemacht".
Gar nicht geht: "Die Studierenden nutzen das Mittel der Krankschreibung und der ärztlichen Atteste vor Prüfungen aus. Das gilt auch für Abschlussarbeiten."

Die Hochschulen und die verantwortlichen Professoren sollten überlegen, warum dieses wohl so sein könnte - wenn es denn zuträfe.

 

Bulimie-Lernen

Die Studierenden haben nach dem Bologna-System die Aufgabe, pro Stunde Präsenzunterricht eine bis eineinhalb Stunden Eigenstudium durchzuführen. Hinzu kommen Stunden zur Prüfungsvorbereitung wie Klausuren und auch die Anfertigung von Leistungsnachweisen wie Seminar- und Hausarbeiten.


Wenn die Studierenden 25 Einheiten Anwesenheitsunterricht pro Woche haben, entspricht dies bei 45 Minuten pro Unterrichtseinheit knapp 19 Stunden. Bei einer fünf-Tage-Woche entstehen damit 38 bis 45 Stunden pro Woche, also knapp 8 bis 9 Stunden pro Tag. Plus Prüfungslernen. Drei Monate nonstop. Nicht enthalten sind die vielen Pausen, die zwischen den Veranstaltungen entstehen können. Die Tage werden lang - sehr lang.

Ein Lösung kann nur sein, die Dichte der Veranstaltungen zu entzerren und der Maxime Qualität statt Quantität zu folgen. - Don't work harder but smarter.

Ein Student: "Die Semester gipfeln regelmäßig in Bulimie-Lernen."
"Sie wissen, dass Sie dann sich aber auch übergeben müssen."
"Genau dieses Gefühl hatte ich nach den letzten Klausuren. In der Klausur habe ich alles ausgeschüttet, und als ich rauskam, war mein Kopf leer. Ich weiß nicht, wie viel überhaupt vom Stoff des Semesters hängenbleiben wird."

 

Vertrauen und Respekt

Wichtig ist vor allem, den Studierenden Vertrauen entgegen zu bringen.

Es darf und kann nicht sein, dass Professoren und Hochschulverwaltung erst einmal von einer negativen Absicht der Studierenden ausgehen.

Die Studierenden haben Respekt verdient.

Außerdem kann es nicht sein, dass Professoren und Hochschulverwaltung von Ärzten verlangen, über Symptome oder gar eine Diagnose ihres Patienten Auskunft zu geben.

Wenn ein Arzt ein ärztliches Attest erstellt und darin schreibt, dass die oder der Studierende aus Krankheitsgründen nicht in der Lage ist, eine prüfungsrelevante Leistung zu erbringen, so muss das der Hochschule genügen.

Der Arzt steht schließlich mit seiner Unterschrift dafür ein. Professoren und Hochschulverwaltung sollten nicht annehmen, dass ein Arzt nicht beurteilen kann, wie fit ein Mensch für eine Prüfung sein muss.

Hier die Beispiele, wie Respekt vor Studierenden und ihren Ärzten funktioniert.

 

Beispiel 1: Universität Ulm

Universität Ulm. Formular für die Bescheinigung der Prüfungsunfähigkeit - Ärztliches Attest. 19.02.2016 - https://www.uni-ulm.de/fileadmin/website_uni_ulm/med.inst.090/Lehre_PDF_2016/formular_prüfungsunfähigkeit_WEB.pdf (zuletzt abgerufen am 01.07.2018)

 

"...
Erklärung des Arztes/der Ärztin: Meine heutige Untersuchung zur Frage der Prüfungsunfähigkeit bei o.g. Patienten/Patientin hat aus ärztlicher Sicht folgendes ergeben:
1. Es liegen prüfungsrelevante Krankheitssymptome vor, die die psychische und/oder physische Leistungsfähigkeit deutlich einschränken, wie z.B. Bettlägerigkeit, Fieber, Schmerzen, Konzentrationsstörungen aufgrund der Einnahme von Medikamenten.
2. Es handelt sich nicht um Schwankungen in der Tagesform, Prüfungsstress und ähnliches. (Dies sind im Sinne der Prüfungsunfähigkeit keine erheblichen Beeinträchtigungen)
Prüfung/en:
Aus meiner ärztlichen Sicht liegt eine erhebliche Beeinträchtigung des Leistungsvermögens gemäß Punkt 1 vor. Ich bestätige ausdrücklich, dass es sich nicht um eine wie unter Punkt 2 beschriebene minimale Einschränkung der Leistungsfähigkeit handelt.
O.g. Patient/Patientin ist für die o.g. Prüfung/en am:                 (Datum)
bzw. in der Zeit von... bis:                                         (Zeitraum)
aus medizinischer Sicht nicht prüfungsfähig.
Datum, Unterschrift und Praxisstempel"

 

Beispiel 2: Brandenburgisch Technische Universität Cottbus-Senftenberg

BTU. Brandenburgische Universität Cottbus - Senftenberg. Ärztliches Attest zur Feststellung der Prüfungsunfähigkeit. Medical certificate on the incapability to take an examination. 18. Nov 2015. - https://www-docs.b-tu.de/studierende/public/files/Formulare/Aerztliches_Attest.pdf (zuletzt abgerufen am 01.07.2018)

 

"...
2.) Erklärung des Arztes / Doctor’s declaration
Meine heutige Untersuchung zur Frage der Prüfungsunfähigkeit (Schwankungen in der Tagesform, Examensangst, Prüfungsstress u. ä. sind keine erheblichen Beeinträchtigungen) bei o. g. Patientin oder Patient hat aus ärztlicher Sicht folgendes ergeben/ My medical examination of the patient named above yielded, from a doctor’s perspective, the following answer to the question of whether the patient is/was capable to take an examination (variations in personal fitness on any given day, examination anxiety and examination stress, among other things, are not relevant impairments):
[ ] Prüfungsunfähigkeit für eine mündliche Prüfung / Incapable to take an oral examination
[ ] Prüfungsunfähigkeit für eine schriftliche Prüfung / Incapable to take a written examination
[ ] Leistungsminderung, die eine kontinuierliche Bearbeitung/Anfertigung der Abschlussarbeit
nicht zulässt (Erläuterung unter Zusätzliche Angaben). / Diminishing performance due to illness does
not allow for continued work/completion of the final assignment (provide additional explanation).
Die Gesundheitsstörung ist (bitte ankreuzen) / The health issue is (please mark appropriate response):
[ ]  dauerhaft, d. h. auf nicht absehbare Zeit / long-lasting and will not end in the foreseeable future
[ ]  vorübergehend / temporary.
Dauer der Krankheit / Duration of the illness:
von / from:                        bis einschließlich / until:
Folgebescheinigung / Follow-up medical certificate:
von / from:                        bis einschließlich / until:
Zusätzliche Angaben bei Diplom-, Bachelor-, Master-, Seminar- oder Hausarbeiten: Welche Verlängerung der Bearbeitungszeit für die Arbeit wird angesichts des Grades der Leistungsminderung befürwortet?
Additional declaration for diplom, bachelor, master, and seminar theses or term papers: What period of extension would be recommended based on the degree of the diminished performance?
Datum, Praxisstempel und Unterschrift / Date, stamp of the medical practice and signature"

 

Ich bin gespannt ...

welche Reaktionen dieser Blogeintrag auslösen wird.


Christa Weßel - Mittwoch, 14. Januar 2015

 

Blogrubrik Lernen & Lehren 

 

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