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Refugium: Kapitel "Das Thema finden"

Gestern sind die PDF der Druckerei für den Buchumschlag und den Buchblock (Inhalt) gekommen. Also ist nach dem Zeitplan für die Leseproben, von dem auch das Buch erzählt, Zeit für ein weiteres Kapitel. Heute geht es darum, wie ein Buchidee entstehen kann. 

Das Thema finden

Logbuch SYC, Fr, 27 Dez 2019 19:30

NO 1 Bf, 1032 mbar, 4 Grad, bewölkt

Kaffee & Plaudern mit R(…) & K(…) an Bord der (…) 

 

Das Thema findet die Schreibenden. Idealerweise.

 

Manchmal, weil es eine Aufgabe in der Arbeit ist: Ein Vorhaben beschreiben, einen Bericht verfassen, Anleitungen und Websites erstellen und vieles mehr. Während eines Studiums entstehen Seminar-, Haus- und Abschlussarbeiten. Später kommt vielleicht eine Doktorarbeit hinzu. Natürlich können Studierende sich in Instituten umsehen und Professoren nach Themen fragen. Oft gibt es auf Institutsseiten offene Themen.

 

Das Thema muss die Schreibenden packen. Jenseits des Zieles, einen Abschluss zu erreichen oder eine berufliche Aufgabe zu erfüllen. Wenn Menschen ein Thema bearbeiten wollen, weil sie es wichtig finden, weil es sie interessiert und weil sie Ideen haben, die zu diesem Thema etwas beitragen und somit von Nutzen für andere werden können, dann ist dieses Thema genau richtig für diese Menschen.

 

Thomas Alva Edison (1847–1931): "Genius is 1 per cent inspiration and 99 per cent perspiration." (Dyer & Martin 1910, p 607) Beim Schreiben sind Technik, Disziplin, Ausdauer und hilfreiche Kollegen, Freunde und Familie wichtige Bestandteile der neunundneunzig Prozent. Diese brauchen Schreibende im Marathon der Arbeit an einem umfangreichen Text.

 

"Armin, wir müssen ein Buch schreiben." Der Garten eines Cafés auf dem Gelände eines Kantonsspitals in der Schweiz. Mein Kollege und ich erholten uns von einer anstrengenden Besprechung mit einigen Chefärzten. "Warum? Worüber?" – "Über das, was wir hier machen. Es ist jenseits der betriebswirtschaftlichen Aufgabe wichtig für die Patienten. Es geht auch um Qualität." – "Aha?" – "Ja, wir können mit den Patientenpfaden auch Qualitätsmanagement machen, nicht nur Kosten und Preise kalkulieren." – "Stimmt." – "Armin, wir müssen zwei Bücher schreiben." – "Warum das?" – "Eines über das, was wir hier machen. Und eines über die Menschen, die es tun."

 

Genauso kam es. Der ärztliche Direktor mit einem Lehrstuhl an der medizinischen Fakultät der Universität Basel akzeptierte mein Exposé. Die Beratungsfirma, zu deren Team ich gehörte, war damit einverstanden, dass ich das Thema bearbeite. Um unabhängig zu bleiben, entschloss ich mich, die Dissertation in meiner Freizeit anzufertigen. Das war also das "was". Das "wer" entstand durch die Frage eines Studenten elf Jahre später.

 

Erstaunen bei den Studierenden des ersten Seminars Consulting an einer Dualen Hochschule im Herbst 2010. "Das sollen wir alles lesen?"

Naiv wie ich war, war ich den Gepflogenheiten des Lernens an einer Universität gefolgt. Schließlich kam ich daher. Also gab es zu Beginn des Semesters eine Literaturliste für die Studierenden: lesen, verstehen und in der Veranstaltung anwenden (und am besten auch später).

"Pu. So viele, so dicke Bücher. Gibt es das nicht in einem Buch?" Ein Buch, in dem es um Beratung, Beraterinnen und Berater geht und um Grundlagen der Kommunikation, Gesprächsführung, Moderation, Gruppendynamik, des Konfliktmanagements und der Teamarbeit. In dem auch Leadership und Coaching vorkommen. Das eine Toolbox mit Maßnahmen und Interventionen hat.

"Nein, bisher nicht." – Eugen: "Können Sie nicht so etwas schreiben?" – "Wenn Sie mir helfen." – "Wie das?" – "Ich werde Ihnen Texte geben. Sie sagen, ob sie für Sie nützlich sind und was ich daran verbessern sollte." Das taten sie.

 

Einige meiner Vorbilder als Autoren, vor allem Tom DeMarco und Timothy Lister, erzählen (auch) Geschichten in ihren Sachbüchern. So wollte ich schreiben. Geschichten unterhalten, stiften Identität, regen zum Nachdenken an und sind ein hervorragendes Lernmittel. Sie ahnen es: Die Menschen im Kantonsspital und die Berater, die mit ihnen zusammenarbeiteten, wurden zur leitenden Geschichte dieses Buches. Zweieinhalb Jahre später erschien das Buch. Armin war hocherfreut über sein Exemplar: "Du hast es tatsächlich gemacht."

 

Ernest Hemingway erzählt in A Moveable Feast (Paris – Ein Fest für’s Leben), dass es ihm immer wieder so ergangen ist. Ein Thema wird Jahre später reif. Über seine Jahre in Paris hat er zwanzig Jahre später in den USA geschrieben.

 

Die Idee zum Buch Sozioinformatik, dem Biber, entstand ebenfalls etliche Jahre vor dem Schreiben. Ungefähr 2005 tauchte social informatics im Zusammenhang der Entwicklung web-basierter Informationssysteme über Krankenhäuser in meiner Forschungsgruppe an der RWTH Aachen auf. In den folgenden Jahren verknüpften sich Organisationsentwicklung und Sozioinformatik immer enger in meiner Arbeit und ich schrieb im Blog und in einigen Publikationen darüber. 2017/2018 kam die Workshopreihe an der Hochschule Furtwangen hinzu. Die Blogs über die Workshopreihe bildeten den Ausgangspunkt des Buches. Vierzehn Monate später, im Dezember 2019, waren Zeit und Ort und damit die Möglichkeit passend: Die Arbeit am Biber konnte beginnen.

 

aus: Weßel C. Refugium: Vom Bücher schreiben, machen & verbreiten auf einem Boot. 

S. 20 bis 22.

ISBN 978-3-947287-08-6 

Weidenborn Verlag 2021. 

 

Kurzbeschreibung & Inhaltsverzeichnis: blog 25 März 2021 

 

Der Druckermeister hoffte in seiner e-mail, dass ich unmittelbar den Druck für den Umschlag und den Inhalt freigeben könnte. Es ist wie beim Zahnarzt, der findet auch immer etwas. Zum Glück nicht all zu viel. Wenn ich den Druck freigegeben habe, soll die nächste Leseprobe folgen. Viel Spaß erst einmal mit dieser und der vorherigen (blog 08 Sep 2021).

 

Christa Weßel - Samstag, 18 September 2021

 

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