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Reisende

Christa Weßel 2014 Schnecke

 

In meiner Nachbarschaft gibt es einen Buchladen, der kein Buchladen ist, sondern ein Handwerksbetrieb. An der Einfahrt oder - bei Regen - am Eingang unter dem Vordach steht eine grün gestrichene Holzkiste auf einem ungefähr vierzig Zentimeter hohen Metallgestell. Die Kiste ist ungefähr siebzig mal fünfzig Zentimter groß und zwanzig Zentimeter tief. Auf der Innenseite des hochgeklappten Deckels befindet sich ein Zettel mit einem Schild: zu verschenken. Bücher, Bücher, Bücher. Romane, Sachbücher, Kinderbücher, Reisebücher. Auf Deutsch und auf Englisch. Der Meister erzählte mir, dass die Bücher aus eigenen Beständen stammen. - "Das ist eine große Bibliothek." -  "Ja, und es kommen immer wieder neue hinzu, und wir verschenken dann ältere." Dies führt dazu, dass ich dort seit Jahren immer wieder Schätze finde, zuletzt von zwei Reisenden: Billy Bryson "A walk in the wood" (de: "Picknick mit Bären") und Cheryl Strayed "Wild" (de: "Der große Trip").

 

Bill Bryson will sich nach zwanzig Jahren im United Kingdom wieder mit seinem Land, den USA, bekannt machen: auf dem Appalachian Trail im Osten der USA. Cheryl Strayed will sich nach harten Jahren wieder mit sich selbst bekannt machen: auf dem Pacific Crest Trail (PCT) im Westen der USA. 

 

Beide sind in den 1990ern unterwegs: Bill, Mitte 40, mit einem Jugendfreund, Cheryl, Mitte 20, geht allein. Beide gehen auf ihre Ziel zu. Sie beginnen den trail am Südende, Bill in Georgia, Cheryl in Südkalifornien. Brian lebt bereits mit seiner Frau und vier Kindern in Hanover, New Hampshire. Cheryl wird in Portland, Oregon, leben und ihre Familie gründen. Dies wusste sie noch nicht, als sie sich auf den Weg machte. Beide überspringen ein Stück der Route als die Bedingungen zu hart werden (Bill) und sogar zu gefährlich (Cheryl). 

 

Es ist klasse, wie sie von ihren Irrtümern und Fehlern erzählen. Wunderbar, wie Bill Land und Leute, Geschichte, Geographie und Fauna und Flora in seine Erzählung einflicht. Gut und handwerklich solide, wie Cheryl ihre Geschichte mit der Geschichte ihres PCT verwebt. Auch bei ihr erfahren Lesende von Land und Leuten, eher am Rande, aber deutlich. 

 

Bill ist in den 1990ern bereits ein anerkannter Autor. Cheryl wird ihren Weg als Schriftstellerin nach dem PCT beginnen. Bill hat seinen Bericht unmittelbar veröffentlicht, Cheryl nach sechzehn Jahren. Passt, denn so eine persönliche Geschichte muss reifen. Außerdem hat sie sicher die Zeit genutzt, ihr handwerkliches Können als Autorin so weit auf solide Füße zu stellen, dass "Wild" gut gelingen konnte. Apropos Füße: allein die Geschichte ihrer Füße - die echten und das Metaphorische darin - auf diesem langen Weg ist das Lesen wert.

 

Zwei Tage, nachdem ich diese beiden Bücher gelesen hatte, habe ich im Netz geschaut, wie es denn wohl weiter gegangen ist mit Brian und Cheryl in ihren Leben. Spannend. Und interessant: beide Bücher sind verfilmt worden. Welchen der beiden hat Robert Redford gemacht? Viel Spaß beim Lesen und Schauen und selbst gehen.

 

Christa Weßel - Mittwoch, 01 März 2023

 

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